vergessen©Shop in der Postgasse mit Fotoausstellung
Serviceeinrichtung und Informationsstelle von 19.Juni bis 3.Juli.

Kauf und Abgabe von vergessenen Dingen möglich.
Öffnungszeiten: Mo - Fr 10.00 - 20.00 Uhr, Sa und So 15.00 - 20.00 Uhr.
Tel: 04212-36539


Unvermutet stellte sich uns die Aufgabe, vergessen© verkaufen zu wollen. Dieses Wollen erwies sich insofern als recht schwierig, da sich das Vergessen ja sogar der Ökonomie des Gedächtnisses entzieht. Denn was vergessen ist, ist eben nicht präsent, d.h., daß Vergessenes weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit zu finden ist. Es ist weder Original noch Kopie. Auch der vergessen©Shop selber ist kein Original, er existiert in verschiedenen Formen, z.B in Wien in der Grundsteingasse 12 im 16. Bezirk, und es gab ihn im Oktober 1997 für zwei Wochen in Brünn.

Der Shop besteht in St.Veit aus einem Laden mit Öffnungszeiten (Montag bis Freitag 10 - 20, Samstag und Sonntag von 15 - 20 Uhr) und in Wien aus einem großen Automaten, in dem Waren angeboten werden. Obwohl gerade das Vergessen einer Zeitlichkeit entspricht, die keine Jederzeitigkeit kennt, ermöglicht der Automat auch außerhalb geregelter Öffnungszeiten 24 Stunden am Tag das Nötigste zu erwerben.

Nun hat ja das reine Vergessen keinen Warencharakter wie etwa das reine Wasser, weshalb man es nur in die verschiedensten Zusammenhänge stellen kann. Derzeit lassen sich zwei Warenkategorien unterscheiden: eigene Produkte und Gegenstände, die wir beim Fundamt erworben haben. Letztere sind jedermann bekannt: Wer hat nicht schon einmal seinen Schlüssel mit Anhänger, die Geldbörse oder seinen Regenschirm irgendwo vergessen? Ungewöhnlicher muten die vergessenen Videocassetten und Lockenwickler an. Die Regenschirme haben wir mit dem Logo bedruckt, um sie so ihrem unausweichlichen Schicksal, dem nächsten Vergessenwerden, zu widmen. Die eigenen Produkte fördern das Vergessen: Auf den Oblaten etwa erzeugt das Logo eine metaphysische Dichte. Viele werden an die Gottesdienste ihrer Kindheit erinnert. Aber wie sind die Oblaten zu deuten? Soll die Kirche vergessen werden? Sind die Sünden vor dem Abendmahl zu beichten und zu vergessen? Oder nehmen wir sogar Stellung in der theologischen Frage der Transsubstantiation? Vielleicht ist Vergessen eher katholisch denn protestantisch? Den Oblaten ähnlich ist das Eßpapier. Seinen historischen Vorläufer hat es in den Vergessenszetteln des russischen Gedächtniskünstlers Schereschwskij. Um sein Gedächtnis nach anstrengenden Vorführungen zu reinigen, pflegte er auf kleine Zettel zu schreiben, was er vergessen wollte. Wo dies zum Vergessen nicht ausreichte, verbrannte er die Zettel zudem. Die vergessen©Pillen sind zur Behandlung nahezu jeder Art von Hypermnemosie geeignet. Im Gegensatz zu herkömmlichen Mitteln, die das Gedächtnis stützen sollen, bewirkt es angenehmes Vergessen: "Vergessen Sie, was Sie wollen", ist seine homöopathische Botschaft.

Auf der anderen Seite bieten wir Produkte an, die in paradoxer Weise an das Vergessen erinnern: Der silber auf silber gehaltene Aufkleber bewirkt eine leichte Irritation der reinen Reflexion: Das Vergessen schimmert ins Spiegelbild und verhindert damit die narzißtische Panzerung des sich selbst betrachtenden Subjekts. Mit reiner Betrachtung ist es beim Stempel nicht getan; zunächst aktiviert das Stempeln die Freude an machtvoller Bewegung, sodann bewirkt der Stempelabdruck Anschlußbewegungen, die zum Vergessen führen (indem etwa bestempelte Gegenstände tatsächlich vergessen oder weggeworfen werden). Wir wünschen uns, daß er den Weg in die Amtsstuben dieser Welt finden möge.

 
 
 
 


vergessen © _ verein zur künstlerischen erforschung des vergessens
e-mail: vergessen@thing.at
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